FRAGE: Du sagst, dass es in Deinen Recherche-Stücken nicht unbedingt um Authentizität geht, sondern um Glaubwürdigkeit. Was meinst Du damit?
TOBIAS RAUSCH (TEXT/REGIE): Eine Nagelprobe für Rechercheprojekte ist es immer, wenn die Zeitzeugen selbst die Aufführung sehen. Zwar ist ihre Reaktion nicht unbedingt ein Maßstab für die künstlerische Qualität des Abends, aber anhand ihrer lässt sich ermessen, ob man sich dem Thema auch für Eingeweihte glaubwürdig und differenziert genug genähert hat. Hier waren wir von der Zustimmung – gerade der Sportler selbst – sehr überwältigt. Besonders bemerkenswert finde ich, daß uns mehrfach gespiegelt wurde, wie „mutig“ dieser Abend sei, weil er keine Tabuthemen (wie etwa die körperlichen Veränderungen der weiblichen Geschlechtsorgane durch Doping oder die Machtmechanismen innerhalb von Sportverbänden) ausspart. Wir haben dies gar nicht als besonders mutig empfunden – denn als Künstler stehen wir ja außerhalb des Abhängigkeitsverhältnisses, in dem Sportler, Funktionäre, Ärzte und Journalisten häufig zueinander stehen. Aber es zeigt, dass Recherchetheater gerade deswegen offenbar eine wichtige gesellschaftliche Funktion haben kann – komplexe Zusammenhänge ohne Zwänge, ohne Tabus, vorurteils- und wertfrei zu reflektieren.
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FRAGE: Das Theater Kiel hat ja schon öfters gemeinsam mit lunatiks produktion Rechercheprojekte gemacht, etwa „einsatz spuren“ im Studio. BURN OUT – DOPE IN war nun viel größer dimensioniert – mit welchem Ergebnis?
KERSTIN DAIBER (DRAMATURGIE): Entstanden ist ein einmaliges und bewegendes Theaterprojekt, an dem fast 50 Mitwirkende (8 Schauspieler, ca. 40 Sportler) beteiligt waren. Für die Schauspieler war der außergewöhnliche Spielraum ein zu erkundendes Gebiet mit all seinen Reizen und Herausforderungen. Viele der szenischen Bilder, die Tobias Rausch an diesem Abend mit den Schauspielern realisiert hat, wären so im normalen Stadttheaterbetrieb nicht zustande gekommen: Während Schauspieler in der Kletterwand hingen und Monologe gesprochen haben, haben andere den direkten Zuschauerkontakt in intimen Räumen wie z.B. Duschen gehabt. Unterstützt von ca. 40 Sportstatisten aus Box-, Tauch-, Rollschuh- und Tanzvereinen wurden Bilder und Arrangements in überwältigender Dimension möglich.
Eingegliedert in den Uni-Sportbetrieb kamen acht Vorstellungen von BURN OUT- DOPE IN zustande, die allesamt schnell ausverkauft waren.
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TOBIAS RAUSCH: Als größten Gewinn und künstlerischen Fortschritt empfinde ich die Methoden der Verknüpfung, die wir zwischen den unterschiedlichen Arbeitsweisen und Ebenen des Stücks hergestellt haben – sowohl auf leitmotivischer Ebene als auch auf der Ebene der Bildsprache und der Regelsetzung, nach der innerhalb der fiktiven Welt „Hyperworld“ gehandelt und gespielt wurde. Ich finde, dadurch hat der Abend eine interessante, höhere Komplexität bekommen.